Geschichte Singapurs
Zwar beginnt die schriftlich belegte Geschichte Singapurs als solches erst im Jahr 1819, als der englische Staatsmann Stamford Raffles auf dem damals als „Pulau Ujong“ bezeichneten Fleckchen Erde einen Freihafen errichten ließ. Tatsächlich wurde das heutige Singapur aber schon wesentlich früher besiedelt, liegt es doch mit ihrem natürlichen, windgeschützten Hafen strategisch perfekt an der schon im Altertum wichtigen Seestraße zwischen China und Indien. Im 2. Jahrhundert n.Chr. zeichnete der griechische Geograph Claudius Ptolemäus bereits eine Inselstadt mit dem Namen „Sabana“ in seine Karte.
Die Besitzverhältnisse wechselten zwischen javanischen Piraten, malaiischen Sultanen und Srivijaya, dem buddhistischen Handelsreich Sumatras hin und her. Eine Blütezeit gab es Ende des 16. Jahrhunderts, als die Insel unter der Kontrolle der Sultane von Johore stand. 1613 schließlich wurde die Siedlung von Portugiesen zerstört und sie geriet in der folgenden holländischen Kolonialzeit aufgrund der anderen Häfen auf Sumatra und Batam lange Zeit in Vergessenheit.
Erst 1819 konnte Raffles mit Unterstützung seiner British East India Company den immer noch von den Holländern dominierten Seeweg durch die Malakka-Straße mit der Gründung des Freihafens Singapur umgehen. Es wurde von anlegenden Schiffen keine Zölle verlangt, der Zwischenhandel und der Schmuggel boomte, die Insel wurde daraufhin ein florierender Umschlagplatz von Waren aus Europa, China und Indonesien. Viele chinesische Händler, Handwerker und Tagelöhner ließen sich in der Folgezeit hier nieder. Sie verdrängten so langsam die malaiische Bevölkerung. Mit dem Ausbau der militärischen Befestigungen auf Singapur durch die Briten kamen auch verstärkt indische Soldaten und in deren Gefolge auch wieder Handwerker und Händler auf die Insel. Um drohenden ethnischen Unruhen aus dem Weg zu gehen, erstellte bereits Raffles einen Plan, der die verschiedenen Ethnien auf abgegrenzte Bereiche der Insel verteilte. Die Auswirkungen des Plans sieht man auch heute noch in den von den jeweiligen Ethnien dominierten Stadtteilen wie „China Town“, „Little India“ und „Kumpong Glam“ (Eukalyptusdorf).
Dieses – nicht immer ganz reibungsfreie – Zusammenleben wurde schließlich durch die grausamen Erlebnisse nach der Eroberung Singapurs durch Japan im Februar 1942 auf eine neue Grundlage gestellt. Die schwer befestigte, aber durch die Briten völlig inkompetent verteidigte Insel wurde, trotz der verbissenen Verteidigung durch die Bevölkerung, von den Japanern geplündert, ein Großteil der Bevölkerung – Europäer genauso wie Inder, Chinesen und Malaien – ausgehungert und in die Gefangenenlager in Changi gesteckt. Später wurden viele von ihnen auf Sumatra und in Burma zu Sklavenarbeit gezwungen.
Der gemeinsame Kampf und das gemeinsame Leiden führten zu der Einsicht, dass nur im gleichberechtigten Nebeneinander der Kulturen der Erfolg zu finden ist. So wird um die Ethnie des Gegenübers im heutigen Singapur keinerlei Aufhebens mehr gemacht – es zählen nur dessen Fähigkeiten und Errungenschaften.
Nachdem aber die Briten mit der erneuten Machtübernahme im September 1945 den früheren Status als Kolonie wieder herstellen und auch die Vorkriegs-Apartheid unverändert weiter betreiben wollten, regte sich Widerstand. Die Unabhängigkeitsbewegung gewann von Jahr zu Jahr mehr Einfluss. Großbritannien entließ daraufhin Singapur 1955 in eine Autonomie, 1959 schließlich in die weitgehende Unabhängigkeit, bevor 1963 die komplette Unabhängigkeit erklärt wurde. Die folgenden zwei Jahre schloss sich Singapur einer Staatenföderation mit Malaysia, Sabah und Sarawak an, die es aber 1965 nach Konflikten mit der Regierung in Kuala Lumpur und der Aggression durch Indonesien verlassen musste – vermutlich die einzige Unabhängigkeitserklärung der Welt, die unter Tränen der Trauer verlesen wurde. Seit 1965 ist Singapur schließlich auch Mitglied der UNO.
Der Inselstaat baute in der Folgezeit besonders die Öl- und Chemieindustrie weiter aus, wurde als Finanzhandelsplatz, Transitstation im Luftverkehr und als einer der effektivsten Häfen der Welt berühmt. Die Bevölkerung bekam durch das Wohnungsbauprogramm die Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben – mit dem Effekt, das immerhin über 90 Prozent der Singapurer in einer Eigentumswohnung leben und einen sehr hohen Lebensstandard erreicht haben.
Bei aller Bewunderung für die gelungene Integration und Gleichberechtigung in Singapur darf aber nicht vergessen, dass diese „Schweiz am Äquator“ ein recht künstliches Gebilde, eine „engineered society“ ist, die die PAP (People Actions Party) mit strengen Verhaltensregeln, starker Zensur und drakonischen Strafen seit 1965 regiert.